Tessin - Geschrieben am Donnerstag, September 4, 2014 21:03 von Franco - 0 Kommentare

Bergwanderung Arcegno – Corona dei Pinci – Pizzo Leone – Rasa

4.9.14

Alle Fotos zu dieser Tour unter diesem Link ersichtlich:
Bergwanderung Arcegno – Corona dei Pinci – Pizzo Leone – Rasa

Wer in den Tessiner Bergtälern wandern will, braucht in der Regel robuste Knie und einen
langen Atem. Die Täler liegen tief eingeschnitten zwischen schroffen Felswänden aus reinem,
notdürftig mit langem Gras überwachsenem Granit, steile Stufen führen Hunderte von Höhenmetern
hinein in verlassene Seitentälchen, verfallene Hütten zeugen vom Überlebenskampf früherer
Generationen in einem Gelände, in dem man kaum gerade stehen kann. Hier nach Genuss-
wanderungen zu suchen, die doch den Charakter dieses wilden Tessins etwas wiedergeben,
fällt nicht einfach. Entweder sind sie – wie der Weg vom San Salvatore nach Morcote oder vom
Monte Tamaro zum Monte Lema – oft überlaufen und schon sattsam bekannt, oder sie verlaufen
unattraktiv dem Talgrund entlang. Eine Ausnahme ist der Übergang von Ascona nach Rasa.
Beim Bahnhof in Locarno haben wir den Bus genommen, der uns bequem nach
Arcegno 387 m.ü.M. fuhr. Hier direkt beim Albergo Zelindo beginnt unsere Wanderung.
Albergo Zelindo
Wir wissen, was uns bevorsteht: Arcegno liegt auf 387 m.ü.M. Die höchste Stelle unserer
Bergtour liegt auf dem Pizzo Leone 1659 m.ü.M. Das bedeutet 1270 Meter Aufstieg. Unterwegs,
und das macht diesen Abschnitt besonders interessant, können wir beobachten, wie die Vegetation
sich verändert: Von immergrünen Gewächsen wie Lorbeer, Kampfer und Palmen gelangen wir durch
lichte Kastanien- und Buchenwälder über Wiesen und Weiden auf den Gebirgskamm. Aufmerksamen
Naturfreunden wird dabei nicht entgehen, dass die exotischen Sträucher und Bäume, die aus den
vornehmen Gärten und Parks “ausgewandert” sind, sich immer mehr ausbreiten und die
Waldvegetation stark prägen. Der Wanderweg führt von der Hauptstrasse in Arcegno zunächst
auf Asphalt zwischen Ferienhäusern und Villen bergan, knickt dann kurz vor Punkt 448 m.ü.M.
links ab, und taucht ein in den Kastanienwald. Diverse Varianten führen von Arcegno hinauf
zur Corona di Pinz. Wir haben die kürzeste Variante gewählt und zwar die links vom Val Brima.
Im Nachhinein haben wir festgestellt, dass diese Variante sehr schlecht, wenn überhaupt
markiert ist. Der „Hauptweg“ (etwas länger) führt rechts vom Val Brima hinauf. Die undeutliche
Spur schraubt sich zwischen Felsen und Kastanienwald aufwärts. Schier endlos schlängelt sich
der Weg durch den schattigen Wald hinauf. Bei Punkt 738 m.ü.M. legen wir eine kleine Rast ein.
Das Wetter ist unsicher. Wir hoffen, dass es sich bessert. Der nicht markierte und fast nicht
ersichtliche Pfad führt uns gnadenlos weiter aufwärts. Längst haben Buchen die Kastanien
abgelöst. Wir müssen aufpassen, dass wir im liegen gebliebenen Laub den ungenügend markierten
Weg zum Hauptkamm nicht verlieren. Ein Blick auf die Karte und dem GPS-Tracks sagt uns,
dass wir hangaufwärts in südlicher Richtung richtig liegen. Bei Punkt 901 m.ü.M. verlassen
wir den dichten Wald, und werden zugleich mit einer prächtigen Aussicht auf das Maggiadelta
und Locarno für die Mühen entschädigt. Hier treffen zugleich auch die verschiedenen Varianten
zusammen. Der weitere Aufstieg vollzieht sich danach über den nun markierten Pfad der
südseitigen Flanke des Berges, und wird mehr und mehr zur Sonnenwanderung. Das Wetter zeigt
sich nun von der schönen Seite und wir können eine traumhafte Aussicht auf den Lago Maggiore
geniessen, wohlwissend das wir noch viele Höhenmeter bewältigen müssen bis wir auf der
Corona dei Pinci stehen. Um gut 1000 Meter überragt die „Krone“ (corona) den Spiegel des
Lago Maggiore, bei einem Horizontalabstand von gerade anderthalb Kilometern. Daraus resultiert
eine mittlere Hangneigung von etwa 70 Prozent und vor allem eine phänomenale Schau über den
Langensee, bei klarer Sicht bis hinunter in die Gegend um Arona. Dort wacht die bronzene
Riesenstatue des heiligen Carlo Borromeo (1538-1584) über den See und seine Anwohner.
Er war als Bischof von Mailand auch zuständig für die südlichen Alpentäler mitsamt den
Tessiner Vogteien. Dabei zeigte er sich als gnadenloser Gegenreformator, der Protestanten
im Misox, im Veltlin und bis ins Engadin verfolgte. Manch einer endete als Ketzer auf dem
Scheiterhaufen oder unter der Folter. Den Namen Borromäus richtig berühmt machten allerdings
vier Inseln im Lago Maggiore: die lsole Borromeo. Vor allem die Isola Bella ist ein Wunder
barocker Gestaltungsfreude. Genial allein schon die Idee, dem Eiland die Form eines Schiffes
zu geben (nicht von Walt Disney); überwältigend die Ausgestaltung mit dem als Bühne
angelegten Terrassengarten und dem opulent ausgestatteten Palazzo, alles umrahmt von einer
exotischen Vegetation. Dazu passen die weissen Pfauen bestens, die in dieser fantastischen
Szenerie herumspazieren. Von der Corona dei Pinci aus sind die Borromeischen Inseln nicht
zu sehen; sie verstecken sich hinter den Auslaufern des Gridone Massivs. Dafür schaut man
direkt hinab auf die beiden Brissago-lnseln; weiter südlich, vor Cannero – also bereits
in Italien -, liegen noch zwei winzige Inseln: die Castelli di Cannero, einst als Räubernest
berüchtigt. Nachdem Filipo Maria Visconti 1414 die Feste hatte schleifen lassen, errichtete
Lodovico Borromeo auf ihren Trümmern sein Schloss La Vitaliana, heute als pittoreske Ruine
ein beliebtes Fotomotiv. In weiten Schleifen gewinnen wir zügig an Höhe, mit zunehmend
freier Aussicht. Der Weg quert oberhalb der Monti von Cassina zu der kleinen
Senke 1262 m.ü.M. im Rücken der Corona dei Pinci. Über einen schmalen Pfad erreichen wir
über weite Schleifen den Grat mit der Weggabelung bei Punkt 1273 m.ü.M. Rechts auf schmaler
Spur zur Gipfelwiese der Corona di Pinz 1294 m.ü.M. mit einmaligem Tiefblick. Die Aussicht
auf den fjordartigen, von grünen Hügelwellen eingerahmten Lago Maggiore und in die
Magadinoebene ist traumhaft. Der Spiegel des Lago Maggiore ist mit 193 Metern über Meer der
tiefste Punkt der Schweiz. Der freie Blick auf die spiegelnde Oberfläche des Sees bleibt uns
auch auf der Höhenwanderung bis zur Alpe di Naccio erhalten. Linker Hand sind die Hänge
meist mit Farnkraut bewachsen, die zur Herbstzeit in feurigem Rot leuchten. Zwischen
vereinzelten Birken sind weit unten die beiden Inseln vor Brissago zu erkennen. Die grössere
der beiden, die Isola Grande oder S. Pancrazio, ist ein beliebtes Tessiner Ausflugsziel.
Der dortige botanische Park ist auf die russische Baronesse Antoinette de Saint Leger
zurückzuführen, deren Gatte die verwilderten Inseln 1885 erworben hatte. Die Baronin liess
Bäume, Sträucher sowie Blumen aus der ganzen Welt anpflanzen, die im milden Seeklima
prächtig gediehen und heute noch bewundert werden können. Hier bei einer grandiosen Aussicht,
legen wir eine kurze Pause ein. Zurück zu der Weggabelung bei Punkt 1273 m.ü.M., beginnt die
angenehme Gratwanderung zur Alpe di Naccio. Während wir uns der von Weiden umgebenen
Alpe di Naccio nähern, taucht nach und nach der Pizzo Leone auf. Er ist Teil der Gebirgskette
zwischen dem Lago Maggiore und dem Centovalli und bietet eine noch bessere Rundsicht auf die
Tessiner Berg- und Seenlandschaft. Vorbei an Casone 1284 m.ü.M. und Punkt 1306 m.ü.M.
erreichen wir die Alpe di Naccio 1395 m.ü.M. Der weite Kamm, der sich plötzlich nach den
steilen Hängen oberhalb des Lago Maggiore auftut, überrascht ein wenig. Die Alpe, die aus
einigen Steinhäuschen besteht, nimmt einen aussichtsreichen Platz hoch über den Tälern ein
und gewährt bereits Blicke auf das äussere Valle Maggia, auf den Lago Maggiore und die
Bergwelt im Westen des Tessins. Wir folgen nun dem Pfad in östlicher Richtung über die
Wiesenhänge und durch lichte Buchenwaldpassagen aufwärts und erreichen zunächst einen
Aussichtspunkt mit Gipfelkreuz 1499 m.ü.M. Nun schwenkt der Steig nach rechts und steigt auf
einem Hangrücken 1596 m.ü.M. aufwärts dem Pizzo Leone entgegen, der erst jetzt ins Bild rückt.
Der exponierte Gipfel ragt mit seiner schroffen Ostflanke aus dem nun mit Granitblocken
bedeckten Gelände hervor und erfordert nochmals einen Anstieg von etwa 150 Höhenmetern.
Schliesslich erreichen wir den luftigen Gipfel des Pizzo Leone 1659 m.ü.M. und damit den
höchsten Punkt unserer Wanderung. Unter uns breitet sich das Centovalli mit seinen Ortschaften
aus und lässt sich komplett überblicken. Jetzt ist sehr gut ersichtlich, wieso das „Tal der hundert
Täler“ seinen Namen verdient. In der tief eingefressenen Erosionsschlucht treffen unzählige
Seitentäler zusammen. Der Ostrand des Gipfels eröffnet die Blicke über den gesamten Lago
Maggiore, im Hintergrund tauchen Bellinzona und die Bergwelt der Leventina auf, von
gegenüber grüssen die Vorberge des Monte Tamaro und Gambarogno. Im Südwesten schiebt
sich der weiss glänzende Gebirgsriegel der Oberwalliser Alpen mit den Gletscherwelten ins
Bild. Hier oben auf dem Pizzo Leone legen wir unsere wohlverdiente Mittagspause ein.
Unser Abstiegsweg setzt sich beim Gipfel in südlicher Richtung fort. Wir steigen zum kleinen
Sattel Canva 1570 m.ü.M. ab, bei dem der Weg in die bewaldeten Hänge unterhalb des Pizzo Leone
eintritt und zunächst mit steilem Verlauf abwärts führt. Wir passieren die Weggabelung
auf 1441 m.ü.M. – geradeaus führt der Weg zurück zur Alpe di Naccio – und folgen dem abwärts
führenden Saumpfad. Stets durch lichten Buchenwald wandernd, geht es steil und in endlosen
Serpentinen abwärts zu Punkt Piancaccia 1135 m.ü.M. Weiter abwärts wandernd erreichen wir
danach den Sattel Termine 997 m.ü.M. Die Route wendet sich nun ein wenig taleinwärts und
strebt den Häusern der Alpe Monti 983 m.ü.M. zu. Anschliessend umgeht eine Querpassage die
Kuppe des Pian Baree an der Ostseite und erreicht mit leichtem Gefälle die Ortschaft
Rasa 898 m.ü.M. Das unverfälschte Tessiner Örtchen ist heute noch frei von Autos, da es nicht
über Strassen, sondern nur mit der Seilbahn von Verdasio aus oder über Saumpfade erreichbar
ist. Das von Kastanienwäldern und Nussbaumhainen umgebene Dorf besitzt gut restaurierte
Steinhäuser, von denen einige zu Gaststätten umfunktioniert wurden. Hier endet unsere
heutige Wanderung. Mit der Seilbahn fahren nach Verdasio ins Tal runter, wo unmittelbar neben
der Talstation die Centovalli-Bahn hält.
Centovalli
Mit einer schönen Zugfahrt nach Locarno beenden wir diese unglaublich schöne Wanderung.

Neben einer leichten
Gipfelbesteigung stellen
herrliche Panoramablicke
die Höhepunkte dieser Tour dar.
Gut begehbare Saumpfade
und Alpstrassen, nur im
Bereich des Pizzo Leone
etwas steiler.
Länge und Höhendifferenz
erfordern eine gute Kondition.
Die Pfade sind nicht immer
gut beschildert und in den
Wäldern streckenweise
mit viel altem Laub bedeckt.
Von der Corona die Pinci
fantastischer Ausblick über
den Lago Maggiore und auf
die Magadino-Ebene.
Teleskopstöcke für den
nordseitigen Abstieg angenehm.

Tourenblatt mit Wanderkarte und Höhenprofil
Link zu den anderen Wanderungen
Für die ganze Strecke benötigten wir ca. 5 1/4 Std. 12,5 km
ca.1360m Aufstieg
ca.910m Abstieg
1654m höchster Punkt
387m tiefster Punkt

Über einen Eintrag in unserem Gästebuch
Link zum Gästebuch
würden wir uns freuen

Manuela & Franco



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